Presse-Golden Girls

KARSTEN ENGELHARDT

Schauspieler & Regisseur

KARSTEN ENGELHARDT

Schauspieler & Regisseur

Presseartikel

Golden Girls
2022 - Nordharzer Städtebundtheater

Premiere
Wie eine Kult-Sitcom 30 Jahre nach dem letzten Dreh nun auf der Bühne das Harzer Publikum in ihren Bann zieht. (Mitteldeutsche Zeitung)

Im Halberstadt/MZ- Die „Golden Girls“ liefen vor 32 Jahren erstmals in der ARD, als das Genre „US-Sitcom“ noch im Fernsehlexikon nachgeschlagen werden musste und die Senderzahl des Standard-TV-Gerätes noch recht übersichtlich war. Wer zu jung ist oder derartige Fernsehunterhaltung aus Qualitätsgründen ignorierte, darf heute immer wieder einmal bei einem Spartensender einen Blick in die rund 180 Folgen werfen.
Angesichts der dieser Sitcom folgenden TV-Anschläge auf den Zuschauergeschmack, stellt man fest, heute noch fast revolutionär ist das, was die wohl berühmteste Frauen-WG des vergangenen Jahrhunderts auf dem (zuerst amerikanischen) Bildschirm zur Sprache und Ansicht brachte: Alterssex und Wechseljahre, Lust, Dating im Seniorenalter und Homosexualität, Altersarmut und Sucht.
Bei der Halberstädter Premiere von „Golden Girls” drängen sich im Kreuzgang der Liebfrauenkirche die Fans von Blanche, Rose, Dorothy und Sophia. Ihre witzigen und weisen Geschichten spielen in einer Wohngemeinschaft in Florida, auch wenn das Haus, das zu sehen ist, in Wahrheit nicht in Miami, sondern im Stadtteil Brentwood in Los Angeles steht.
Karsten Engelhardt holt die ganze Handlung sogar in den Harz. Sorgte er im Vorjahr mit „Landeier“ für männerlastigen Sommerspaß, kommt seine fast feministische Fassung nun nicht von jenseits des großen Teiches, sondern aus der Seniorenbetreuungsanstalt „Zur schattigen Fichte“. Dort läuft jede Woche ein „Golden Girls“-Fernsehabend.
Das altersgerechte Rudel-Gucken könnte noch ewig stattfinden, wäre nicht in dem Moment, als das Heim Empfangsstörungen hat, die exzentrische Mäzenin der Einrichtung, Regine von Regenstein (Julia Siebenschuh) gestorben. Hat sie doch eine Weiterfinanzierung aus Stiftungsgeldern an das wöchentliche Golden-Girls-Vergnügen gekoppelt. Nun sitzen Schwester Dorothea (Anne Wolf), Schwesternschülerin Mandy (Swantje Fischer) und Altenpfleger Mirko (Eric Eisenach) mächtig in der Patsche. Einzige schnelle Lösung: Eine Doppelfolge der Sitcom im Heim live spielen. So begegnet dem Zuschauer das Trio nebst plötzlich auftauchender Regenstein-Zwillingsschwester Renate auf TV-Spuren wieder, nachdem eine Reihe Gags von fliegender Bettpfanne über Sekt im Tropf bis dauerknallenden Türen das Publikum zum Lachen anheizt. Dann ist nach 30 von rund 120 Minuten Spielzeit Pause.

Nach der erfahren alle das, was der Bildschirm einst vorlebte: flippige Seniorinnen, die Leichtigkeit versprühen, ernste Dinge durchaus locker diskutieren, Temperament beweisen. Aus den Mandy&Mirko-Karikaturen werden ernsthaft-heitere Darsteller, denen der Szenen-Beifall nur so zufliegt. Eric Eisenach profitiert vom offensichtlichen Frauenmangel im Ensemble und steigt in die Garderobe der männerbesessenen Blanche Devereaux, die glaubt, sie bleibe ewig jung und begehrt.
Das Stück lebt von den langen Kleiderstangen mit viel Klamotten für das Quartett, die fix gewechselt werden müssen. Hier verdienen sich Schneiderei wie Ankleiderinnen des Hauses ein Sonderlob! Nicht weniger kreativ hat Regisseur und Kostümbildner Karsten Engelhardt seine Darsteller in der Maske gestalten lassen.
Dorothys Mutter Sophia, eine gebürtige Sizilianerin, wird von Julia Siebenschuh nicht nur als Veteranin unter den Seniorinnen prima gespielt, sondern man hat sie optisch stark verwandelt. Mona Luana Schneider spielt eine Nummerngirl-gleiche Heimbewohnerin, die die Golden-Girls-Inszenierung am Laufen hält, auch wenn sie mit Rollator & Co. ihre Runden im Heim-Studio dreht und vom Publikum dafür viel Zuspruch erhält. Schließlich wirkt sie bei jedem Auftritt mobiler. Immer mal wieder begeben sich die Akteure in den Gummibaum-Dschungel, um die von Werner Klaus geschaffene Szenerie besser zu besehen und zu belauschen.
Die naive Witwe Rose Nylund spielt Swantje Fischer, ohne ihre Figur der Lächerlichkeit preis zu geben. Anne Wolf, die das Quedlinburger Ensemble zum Herbst leider verlässt, füllt ihre Rolle als Dorothy mit einer Spur Nachdenklichkeit und trägt so die Idee der „Golden Girls“ mit: „Alt, aber nicht von gestern“. Frederik Reents gefällt zwar als stotternder Notar, anrührend wird er erst als Sie, wenn Jean zu ihrem Lesben-Sein steht und in Rose eine Freundin findet.
Die Harzer „Golden Girls“ nehmen bei der Premiere minutenlangen Applaus entgegen. Die echten, weltberühmten Vier, sind seit dem Tod von Betty White Silvester 2021 im Jenseits wieder vollzählig vereint. Vielleicht sehen sie ja von einer Wolke aus die Inszenierung des Nordharzer Städtetheaters mit etwas Vergnügen?
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